1 – Serie: „Kopf schlägt Kapital“ – Können auch bestehende Unternehmen den Ansatz von Entrepreneurship-Professor Günter Faltin nutzen?

Ein Buch hat mich in den vergangenen Wochen fasziniert: „Kopf schlägt Kapital – Die ganz andere Art, ein Unternehmen zu gründen“ von Günter Faltin, erschienen im Hanser-Verlag. Der Berliner FU-Professor sagt „Erfolgreiche Unternehmen entstehen im Kopf. Je besser eine unternehmerische Idee ist … (je klarer sie einen deutlichen Marktvorteil erkennen lässt) … desto mehr wird sie sich durchsetzen.“

Nun  bin ich kein Gründer (sondern schon seit fast 15 Jahren selbstständig) – dennoch haben mich die Ideen in diesem Buch sehr inspiriert. Als Marketing-Beraterin und Texterin, die sich auf kleine Unternehmen (1 bis 50 Personen) spezialisiert hat, beschäfigte mich natürlich die Frage: Können auch Selbstständige, die schon gegründet haben, von dem Querdenker Faltin profitieren?

Bevor ich vorstelle, dass das aus meiner Sicht in einigen Bereichen sehr gut möglich ist, muss ich etwas ausholen und in diesem Posting die Kernaussagen des Buches anreißen.

Im Laufe der nächsten Postings dieser kleinen Serie werde ich dann folgende Aspekte aufgreifen:

  • Lässt sich das Ideenkonzept des Unternehmens „Teekampagne“ auf Beratungs-, Coaching- und Trainerleistungen übertragen?
  • Wie kann aus einer imitierenden Geschäftsidee eine innovative werden?
  • Was ist ein echter Marktvorteil?
  • Was muss ein Unternehmer alles können?
  • Funktion geht vor Konvention – welche Konventionen beherrschen Ihre Branche?
  • Welche Produkte und Dienstleistungen wünschen wir uns preiswerter, bequemer, leistungsfähiger?
  • Wie geht das: Für eine Idee werben – nicht für ein Angebot?

Doch zunächst zum Buch: In 11 Kapiteln wird eine Kernthese erklärt, mit Beispielen und Anregungen unterfüttert. Sie lautet:

Jeder kann Unternehmer werden!

Entscheidend ist, eine Ausgangsidee zu finden und „daran arbeiten, noch mehr daran arbeiten, so lange bis Sie ein Ideenkonzept haben, das deutlich überzeugender ist als die Konvention, die Sie vorfinden.“ Und wenn das Ideenkonzept ausgreift ist: „Aus vorhandenen Komponenten gründen, statt alles selbst aufzubauen.“ Also Herstellung, Verpackung, Vertrieb, Marketing, Buchhaltung etc. zum Teil oder komplett bei professionellen Anbietern einkaufen.

Berühmtes Beispiel: Die Teekampagne.

Faltin erklärt das Prinzip: „Am Anfang ist es nur ein Gedanke: dass man Teehandel vielleicht anders organisieren und hohe Qualität preiswerter anbieten könne.“ Auf vielen Reisen in Entwicklungsländer war ihm aufgefallen, „dass Produkte wie Kaffee, Bananen, Zucker, Tee bei uns ungefähr zehnmal mehr kosten als dort.“ Lässt sich das ändern? Faltin uns seine Studenten nahmen den konventionellen Teehandel unter die Lupe und erkannten, dass die hohen Preise aufgrund hoher fixer und variabler Kosten notwendig sind. 4 Faktoren sind dafür verantwortlich:

„Teegeschäft, gute Lage

große Sortimentsbreite (oft mehrere Hundert Sorten Tee)

Kleinpackungen

mehrere Zwischenhandelsstufen“

 

Im Vergleich dazu die unkonventionelle Variante der Teekampagne:

„Beschränkung auf nur eine einzige (aber sehr hochwertige) Teesorte

kein Zwischenhandel

nur Großpackungen

Verkauf per Mailorder und Internet

Resultat:

viel geringere Kosten, dadruch Preis- und Qualitäsführerschaft möglich.“

zitiert aus „Kopf schlägt Kapital“, Günter Faltin (Seite 6 und Seite 10).

Den Teelhandel neu erfunden

Heute ist die Teekampagne Marktführer für Darjeeling Tee und grünen Tee aus biologischem Anbau. In der Idee steckt immens viel Recherche- und Denkarbeit. So einfach wie sie klingt – so viel Mut hat sie erfordert. Den Zwischenhandel umgehen? Ein radikaler Ansatz. Nur eine Sorte Tee und noch dazu nur in Großpackungen verkaufen? Ein unternehmerisches Risiko: unklar, ob die Konsumenten mitmachen.Wie finanzieren? Wer Tee per Versand bestellten wollte, musste einen Vorrausscheck beilegen. Klappt das?

Heute hat ist die Teekampagne Deutschlands größtes Teeversandhaus, hat mehr als 200.000 Kunden, verkauft pro Jahr rund 400 Tonnen Darjeeling-Tee. Ein Lehrstück für „Funktion geht vor Konvention.“ Und ein Beispiel dafür, dass für eine innovative Gründung keine hohen Mengen an Kapital nötig sind.

Im nächsten Posting der Serie „Kopf schlägt Kapital“ mache ich mir Gedanken darüber, ob und wie Selbstständige und kleine Unternehmen von diesem Modell profitieren können.

Was halten Sie von dieser Idee?  Können Sie sich vorstellen, dieses „Neu erfinden“ auf andere Bereiche anzuwenden?

 

 

 

 

 

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare

  1. Sonja Tomaskovic

    Ich kenne Herrn Faltins Werk und habe es auch mit Spannung gelesen (bzw. mir vorlesen lassen). Ich befinde mich gerade in der Gründungsphase, daher stellt sich die Frage, ob ich mich neu erfinden kann, gar nicht.

    Allerdings habe ich aus meiner ersten Selbstständigkeit heraus die Erfahrung gemacht, dass Herrn Faltins Konzept nur teilweise auf Dienstleistungsunternehmen bzw. -anbieter umgemünzt werden kann. Natürlich kann man versuchen, so viel wie möglich nach extern zu vergeben, aber wie viel davon fällt bei einem 1-Mann-Unternehmen schon an? Bei mir damals nicht viel, ich habe nur den Telefonservice ausgelagert, und das hat sich im Nachhinein als nicht nützlich für mich erwiesen.

    Dennoch bietet Kopf schlägt Kapital viele nützliche Impulse und Anregungen und ich lasse es mir immer wieder gerne vorlesen. 🙂

    1. Danke schön für den Beitrag. Interessant, dass Sie gerade den Punkt „möglichst viel nach extern vergeben“ herausstellen. Das ist ja der Punkt, dass Günter Faltin sagt: Statt alles selber zu machen, sollen Gründer die einzelnen Komponenten ihrer Geschäftsidee bei Profis einkaufen. Das macht bei Produkten natürlich augenfällig mehr Sinn: Die Herstellung, die Verpackung, die Logistik des Versands etc. Aber gerade diese Frage finde ich spannend: Wie können auch Dienstleister davon profitieren?

      Damit kommen wir zu einer Kernfrage – verstehen wir Einzelunternehmer, die eine Dienstleistung (wie z. B. Coaching, Training, Beratung, Grafik Design, Fotografie, Text etc.) anbieten, uns als Freiberufler oder als Unternehmer? Wollen wir uns einen guten Arbeitsplatz schaffen, selber unsere besten Angestellten sein oder gehen wir mit einer Geschäftsidee an den Markt, die sich deutlich abgrenzt gegenüber den vielen freiberuflichen Coachs, Trainern, Beratern, Grafikern, Fotografen etc.? Anders gefragt: Gehen wir mit einer ausgereiften kreativen Idee nach draußen, die unseren Kunden deutliche Vorteile bietet, wenn Sie bei unserem Unternehmen kaufen statt bei einem der vielen Wettbewerber?

      Ein Beispiel möchte ich nennen: Es gibt inzwischen rund 8.000 Coachs am deutschen Markt. Täglich gibt es neue Gründungen in diesem Bereich. Nach Faltin müsste man sagen: imitierende Gründungen – Selbstständige, die sagen: Me too – das, was meine Wettbewerber machen, mache ich auch. Zum Beispiel ein Mix aus Zeitmanagement, Stressmanagement, Karriereberatung. Bisher habe ich erst wenige Coachs getroffen, die sich intensiv um ein Geschäftsmodell bemüht haben, mit dem sie sich deutlich vom Wettbewerb absetzen und das den Kunden besondere Vorteile bringt. Paradebeispiel ist für mich immer Monika Birkner, bei der ich mich selber coachen lasse. Ihr ist es gelungen, sowohl von den Themen her (business transformation) als auch von den Formaten Ihrer Angebote schwer verwechselbar zu sein. Sie war eine der ersten Coachs in Deutschland, die Telefoncoaching, Gruppenprogramme via Internet, Verkauf von Mitschnitten von Coaching-Calls u. Ä. angeboten haben. Das finde ich innovativ und nicht-imitierend.

      Outsourcen kann auch bei Dienstleistern Sinn machen. Man muss nicht unbedingt soweit gehen, die „Herstellung“ der eigenen Dienstleistung extern zu vergeben. Könnte man aber: im übertragenen Sinne wäre für Coachs, Trainern, Beratern etc. das Delegieren der eigenen Arbeit an Mitarbeiter oder Partner oder Assistenten – ein Designer muss nicht alles selber layouten, sondern kann einiges von Mitarbeitern erledigen lassen.

      Ich versuche mehr und mehr Arbeiten auszulagern: Buchhaltung, virtuelle Assistenz für Recherche- und Adminstration, einige Arbeiten im Bereich Online-Marketing.

      Aber wie gesagt finde ich diesen Aspekt nicht den Wichtigsten im Ansatz von Faltin.

      Verstehen sie, worum es geht, liebe Frau Tomaskovic.

  2. Sonja Tomaskovic

    Natürlich verstehe ich Sie, Frau Weinberger. 🙂

    Mein Kommentar bezog sich tatsächlich auf meine damalige Situation – und die vieler anderer Kollegen. Wir waren wahrscheinlich wirklich das, was Herr Faltin unter „Me too“ versteht, reine Freiberufler, die es auf Teufel komm raus vermieden haben, als Unternehmer wahrgenommen zu werden und welche zu sein. Ich schätze, aus dieser Situation heraus macht es dann wirklich keinen Sinn, externe Hilfe anzunehmen, außer für die ganz offensichtlich „schwierigen“ Arbeiten – wie Buchhaltung und Steuererklärung.

  3. Ja, verstehe auch 🙂 Und mir ist auch wichtig eines klarzumachen: Freiberufler sein wollen und sich mit einer „Me too“ Gründung selbstständig machen ist nix „Verwerfliches“. Ich habe selbst viele Jahre gebraucht für meinen Weg von der Freiberuflerin, die mit Unternehmertum nichts am Hut haben wollten bis zu meinem Stand heute – wo ich gerne sage: Ich bin Unternehmerin. Alles zu seiner Zeit 🙂

    Meine Erfahrung rückblickend ist aber auch: Es ist halt schwieriger mit „Me too“ erfolgreich zu sein.

    Das Schöne ist: Wir Menschen können uns ja ständig weiter entwickeln. Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall viel Freude und Erfolg bei der neuen Gründung!!

  4. Gerade für bereits bestehende Unternehmen, speziell auch im Dienstleistungssektor finde ich Faltins Ansätze auf jeden Fall wichtig.
    Wie oft versucht ein Unternehmen neue Geschäftsfelder zu erschließen?
    Wie oft wird genau dies verworfen, weil sich die ersten Ansätze als nicht tragfähig genug erweisen bzw. nicht rentabel kalkulieren lassen?
    Hier sehe ich genau den Punkt, an dem ich auch bei meinen Kunden ansetze: Die geplante Projekt-, Geschäftsfeld- oder Produktidee neu zu denken und das Konzept daraus tragfähig zu entwickeln.
    In der Tat begegnen mir sehr viele Unternehmer, die der Überzeugung sind, wirklich alles selbst machen zu wollen. Aber wie heißt es (nicht nur bei Faltin) so treffend: Du musst als Unternehmer am – und nicht im Unternehmen arbeiten.

    Ronald Lehnert
    (Unternehmensberatung Ronald Lehnert)

  5. Danke für Ihren Kommentar, Herr Lehnert! Das sollte sich wirklich herumgesprochen haben: AM eigenen Unternehmen arbeiten ist mindestens so wichtig wie IM eigenen Unternehmen zu arbeiten.

    Das habe ich kürzlich in einem Gründerseminar für Kreative und Künstler gesagt und bin auf Unverständnis gestoßen. Was mir zeigte, dass manche einfach die Arbeit, die sie tun, mehr lieben als die Unternehmensführung. Das ist so – verstehe ich bis zu einem gewissen Grad auch – aber macht die Selbstständigkeit für viele zum schwierigen Durchwurschtel-Projekt. Ich hoffe, das AM und IM kommt mehr in Balance.

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